KMUs aufgepasst: “Wer keinen Chef hat muss ein Netzwerk haben!”
Letztes Wochenende war ich auf den Gründer- und Unternehmertagen (deGUT) in Berlin unterwegs. Netzwerken war Programmpunkt Nummer 1 auf meiner Agenda; dadurch haben sich viele Gespräche mit interessanten Persönlichkeiten ergeben. Ein Highlight war das Interview mit KMU-Beraterin Dr. Steffi Lange. Sie berichtet über den allgegenwärtigen Irrglauben über die Selbständigkeit, wie Frauen anders gründen und warum das “Warum” immer an erster Stelle stehen muss.
Steffi Lange kennt beide Seiten: Die Probleme des selbständigen Einzelkämpfers und auch die Ziele der Investoren und Wirtschaftsförderer. Vor fast 10 Jahren machte sie sich selbständig und hilft seitdem kleine und mittelständische Betriebe bei der Verwirklichung ihrer Ziele.
Was haben Sie vor Ihrer Selbständigkeit gemacht?
Vor meiner Selbständigkeit war ich in der Wirtschaftsförderung und im Investitonsbankensektor tätig. In der Wirtschaftsförderung kümmert man sich immer nur um die Großen; um die Kleinen kümmert sich keiner. Ich hatte das Bedürfnis EinzelkämpferInnen zu helfen und bin dadurch selbst zur Einzelkämpferin geworden. Ich kenne den Schmerz, den viele UnternehmerInnen erfahren.
Wer keinen Chef hat muss ein Netzwerk haben.
Kleine Unternehmen haben noch immer Probleme mit dem Netzwerken und mit dem Finden von Kooperationen. Jahrelang wurde ihnen eingetrichtert: “Es gibt nur Konkurrenz”. Doch als EinzelkämpferIn ist es besonders wichtig Partnerschaften zu knüpfen und MitkämpferInnen zu haben. Nimm zum Beispiel den Teeladen an der Ecke. Gleich daneben befindet sich ein Geschäft für Geschenke. Warum nicht gegenseitig etwas vom anderen ins Sortiment aufnehmen? Aus Konkurrenz kann man oft ganz einfach Kooperationspartner machen!
Aus Konkurrenz kann man einfach Kooperationspartner machen!
Glauben Sie, dass Deutschland ein gutes Land für UnternehmerInnen ist?
Das ist schwer zu beantworten; leicht ist es für KleinunternehmerInnen und EinzelunternehmerInnen auf jeden Fall nicht. Was die können wird unterschätzt. Die Denkweise ist so: “Wir brauchen ein großes Unternehmen, das viele Arbeitsplätze schafft.” Das auch viele kleine Unternehmen viele Arbeitsplätze schaffen können wird jedoch oft vergessen.
Wird sich diese Denkweise in naher Zukunft ändern?
Im Moment ist es schwer einzuschätzen, ob es besser wird oder nicht. Ich muss jedoch auch sagen, dass seitens der Politik immer etwas versucht wird, um den Status des klein- und mittelständischen Unternehmers zu verbessern. Es scheitert jedoch an der richtigen Umsetzung.
Was bedeutet denn Risiko für Sie?
Ich sehe mich nicht als risikofreudigen Menschen, aber wenn ich etwas machen möchte, dann tu ich’s einfach. Das größte Risiko ist, wenn ich nicht genau weiß, was ich will und mich einfach auf etwas losstürze. Wenn ich jedoch weiß was ich will, dann habe ich eine Vision.
Viele Berater raten ihren Kunden mit einem Businessplan anzufangen. Schwachsinn, bevor ich das Warum nicht weiß, brauche ich mit gar nichts anfangen. Wer ist mein Kunde? Für wen mache ich das? Das sind die Fragen, die man sich zu Beginn stellen muss.
Das Wichtigste ist immer das Warum.
Linktipp: In “The Golden Circle” liefert Simon Sinek eine ausgezeichnete Erklärung zum “Warum”.
Sie können sich bestimmt schon denken, was meine nächste Frage sein wird: Welches WARUM hatten Sie am Beginn Ihrer Selbständigkeit vor Augen.
Mein Ziel war, und ist es noch immer, Kleinstunternehmen und familiengeführten Unternehmen zu helfen, sodass auch sie im großen Teich erfolgreich sein können.
Bleiben wir beim Thema Erfolg: Ist es für Frauen schwieriger zu gründen und in weiterer Folge in der Selbständigkeit erfolgreich zu sein?
Frauen gründen mehr mit Bedacht, Männer gründen spontaner. Was ich jedoch häufig gesehen habe ist, dass Frauen seltener aufgeben.
Haben Sie einen guten Rat für Gründerinnen?
Gründen mit Kindern ist das Beste. Wenn ich selbständig bin, kann ich meinen Tag frei organisieren und kann somit meine Kinder einplanen. Das ist viel schwieriger, wenn man als Angestellte arbeitet und um die Erlaubnis und auf das Wohlwollen des Vorgesetzten hoffen muss. Selbständigkeit und Muttersein ist eine gute Kombination.
Was ich jedoch als sehr gefährlich erachte sind Best Practice Beispiele! Es gibt nichts Schlimmeres als andere zu kopieren. Man kann sich hier und da Ideen holen, sollte jedoch seinen eigenen Weg finden und sehen, was für einen funktioniert und was nicht.
Eine letzte Frage habe ich noch: Was ist Ihrer Meinung nach das Beste an der Selbständigkeit?
Spontan geantwortet, eigentlich alles! Ich kann mich selbst verwirklichen indem ich anderen etwas Gutes tue und ich kann selbst entscheiden, was ich tun will und meinen Alltag so planen, wie ich das möchte. Ich mache das, was ich gut finde.
Vielen Dank Frau Dr. Lange für das Interview.