Musik als Sprache – ein Interview mit Ingo Vogelmann
Musik ist zwar Geschmackssache, in einem Punkt sind sich aber alle einig: die richtige Musik zum richtigen Zeitpunkt sorgt für Emotionen, Erinnerungen, Gänsehaut und Luftsprünge.
Der Essener DJ und Produzent Ingo Vogelmann hat seine Leidenschaft für Musik zum Beruf und sich damit selbständig gemacht.
Mit insgesamt über 10 000 Followern auf Facebook, Twitter, Soundcloud und YouTube kann man ihn problemlos als Influencer bezeichnen. In unserem Interview erzählt er uns von seinem Weg dorthin, was er dabei gelernt hat und was ihn antreibt. Außerdem teilt er seine Erfahrungen mit uns und gibt Nachwuchskünstlern Tipps, was sie bei einem professionellen Einstieg ins Musikbusiness beachten sollten.
Würdest du uns zunächst einmal etwas über dich erzählen und darüber, wie du DJ und Produzent geworden bist?
Ich bin 44 Jahre alt und lebe nach einigen Auslandsaufenthalten wieder in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet. Seit beinahe 13 Jahren mische ich bei FRISKY mit, einem Online-Radiosender und Musikdownload-Service für Underground Electronic Music. Seit 2003 betreibe ich mein eigenes Label L2 Music, und seit 6 Monaten bin ich Head of A&R für das schottische Label Pro B Tech Music.
Ich beschäftige mich viel mit Musiktheorie und Musikwissenschaft, wobei ich hauptsächlich herausfinden möchte, welche Musik, Frequenzen und Progressionen welche Wirkung auf die menschliche Psyche haben. Klingt kompliziert für Laien, ist es auch.
Schon in meiner Kindheit hatte ich nur Musik im Kopf und um mich herum. Mit 16 begann ich eigene Stücke zu schreiben und aufzunehmen. Das war alles ziemlich experimentell und technisch betrachtet ganz einfach, weil mir die Mittel für richtiges Studioequipment fehlten.
Ein kleiner Boss Dr. Rhythm Drum Computer stellte damals meine kleine Welt auf den Kopf, und mein erster Computer veränderte alles, da ich plötzlich all das machen konnte, was ich wollte. Verglichen mit heute war das natürlich nichts. Meine Liebe zur elektronischen Musik entwickelte sich erst vergleichsweise spät. Ich meine mich zu erinnern, dass ich mit 19 die ersten Platten aufgelegt habe.
Was gefällt dir an deinem Job am meisten, und was findest du weniger gut?
Warum mir Musik und die Arbeit damit so viel gibt, kann ich nicht wirklich erklären. Ich schätze, dass Musik für mich eine Sprache ist, in der ich mich am besten ausdrücken kann. Und wenn Menschen diese dann auch noch verstehen und davon berührt werden, fühle ich mich erfüllt.
Am wenigsten gefällt mir, dass in der Musikbranche diejenigen am erfolgreichsten sind, die am lautesten schreien, beziehungsweise für die am lautesten geschrien wird. Schlaues Marketing ist ein notwendiges Übel.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei dir aus? Oder gibt es so etwas gar nicht?
Doch, sowas gibt es definitiv, auch wenn jeder Tag sehr unterschiedlich sein kann was die Inhalte meiner Arbeit angeht.
Ich habe eine gewisse Arbeitsroutine und stehe sehr früh auf, in den kälteren Monaten meist noch im Dunkeln. Morgens konzentriere ich mich auf die wichtigsten Prozesse des Tages, danach arbeite ich sozusagen die Dinge ab, die weniger planmäßig in meinen Tag purzeln, weil ja immer irgendjemand irgendetwas will.
Gab es auf deinem Weg besondere Herausforderungen, die du gemeistert hast? Und bist du auf irgendetwas, das du erreicht hast, besonders stolz?
Die größte Herausforderung war und ist es, die gesellschaftliche Akzeptanz für etwas zu erlangen, was für Otto Normalo nicht wirklich greifbar ist. Nicht, dass ich dieses Ziel jemals erreicht hätte, es ist inzwischen auch nicht mehr mein Ziel. Menschen verbinden Tätigkeiten die man liebt, nicht mit dem Begriff oder der Vorstellung von echter Arbeit. Sie haben Angst vor Leuten wie mir, die einfach das tun, was sie mögen. “Einfach” ist hier nicht falsch zu verstehen, denn solch ein Weg ist alles andere als einfach.
Ich bin schon insgesamt stolz auf meine musikalischen Werke, aber besondere Freude empfinde ich jedes Mal, wenn mir bewusst wird, was ich Menschen mit den unterschiedlichsten Biografien mit meiner Musik geben konnte. Ich bekomme da regelmäßig Feedback, das freut mich immer sehr.
Wenn du zurückblickst, gibt es etwas, das du heute anders machen würdest?
Natürlich. Ich würde es heute aber auch nur anders machen, weil ich aus Fehlern gelernt habe, und ohne die hätte ich eben nichts gelernt.
Ich würde zum Beispiel nicht mehr mit Leuten aus der Major Label Industrie arbeiten, um ein markantes Beispiel zu nennen. Das hat mit Musik nichts zu tun, dabei geht es nur um Profit.
Insgesamt verwende ich inzwischen viel weniger Zeit und Energie für Dinge und Prozesse, von denen ich gelernt habe, wie wenig sie mir bringen.
Gibt es etwas, was du anderen Leuten raten würdest, die sich gerade in deinem Bereich selbständig machen?
Ja, da gibt es schon ein paar Dinge. Aber nur weil etwas für mich gut funktioniert heißt es natürlich nicht, dass das für jeden funktioniert.
Disziplin ist für mich sehr wichtig. Wer frei arbeitet, braucht Zeitmanagement. Wenn ich früh aufstehe, habe ich wache, unbelastete Ohren und kann am besten arbeiten. Dann bekomme ich bis Mittag unglaublich viel geschafft.
Wenn man von zu Hause aus arbeitet, ist die Versuchung immer groß, sich nicht richtig anzuziehen. Ich verhalte mich morgens immer so, als würde ich gleich im Büro meine Kollegen treffen. Bevor ich geduscht und angezogen bin, setzte ich mich nicht an meinen Schreibtisch. Da ich häufig Video-Meetings habe, macht das schon alleine deshalb Sinn.
Ich bin immer bestrebt, einen möglichst normalen Arbeitstag zu haben und auch so lange wie andere zu arbeiten. Danach checke ich auch keine E-Mails mehr oder Ähnliches.
Ich achte sehr darauf, mich möglichst auf das zu fokussieren, was gerade im Moment wichtig ist, und versuche, dass sich Arbeit und Privatleben so wenig wie möglich überschneiden.
Was besonders die Musikindustrie angeht, würde ich jedem empfehlen, manche Dinge nicht zu sehr und manche dafür sehr ernst zu nehmen. Das Business ist voller Egos, die sich permanent in den Vordergrund drängen. Das sollte man nicht so ernst nehmen. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die im Hintergrund die Strippen ziehen und dadurch vieles erst möglich machen. Gegenüber diesen sollte man sich unbedingt immer professionell und zuverlässig verhalten. Diese Leute sind die wirklichen Movers & Shakers der Industrie.
Wie wichtig ist Social Media für deine Arbeit? Und welches ist der wichtigste Social Media Kanal für dich?
Social Media ist schon ziemlich wichtig, denn so kommuniziere ich tagein, tagaus mit meiner Fanbase und lasse die Leute an dem teilhaben, was ich treibe und was mich beschäftigt. Dadurch gewinne ich natürlich auch neue Follower. Schön ist es, wenn Menschen über die Dinge, die ich online zu sagen habe, meine Musik entdecken. Pro Tag beschäftige ich mich etwa eine Stunde mit Social Media. Dadurch, dass ich vieles cross-poste, habe ich auch hier Wege gefunden, so wenig Zeit wie möglich und so viel wie nötig damit zu verbringen.
Ich halte Facebook für am wichtigsten und effektivsten. Dort bin ich seit etwa 2009, auf Twitter bin ich seit 2007 vertreten.
Würdest du sagen, dass Reichweite für dein Business wichtig ist? Machst du aktiv etwas, um deine Reichweite zu erhöhen?
Natürlich ist Reichweite enorm wichtig. Ich habe einen sehr emsigen Assistenten, der ziemlich gut darin ist, potentielle neue Fans auf mich aufmerksam zu machen. Da ich mich unüblicherweise in verschiedenen Genres herum treibe, versuche ich ständig, mit meiner Musik die verschiedenen Geschmäcker der Leute unter einen Hut zu bringen. Das ist eine große Herausforderung und geht nur, indem man möglichst viel Reichweite erzielt. In jedem kleinen Winkel könnte ein neuer Fan stecken. Deshalb kommunizieren wir auch mit Leuten in den verschiedensten Facebook-Gruppen und Foren im Netz.
Natürlich wollen wir auch etwas darüber wissen, wie du mit Zervant arbeitest, was dir daran gefällt, und was du vielleicht gerne daran anders haben würdest.
Ich sehe mich wie eine Mischung aus Dienstleister und Handwerker, und für beides kann ich mit Zervant sehr einfach Rechnungen, Angebote und Zahlungserinnerungen erstellen und versenden, und das Ganze auch noch kostenlos. Toll würde ich eine automatische Zahlungserinnerungsfunktion finden, oder sogar eine Verknüpfung mit PayPal oder dem Bankkonto finden, um so eingegangene Zahlungen mit offenen Rechnungen abzugleichen. So etwas manuell zu machen ist zwar kein riesiger Aufwand, aber Zeit ist mein wichtigstes Kapital, und jede Minute die ich spare gibt mir mehr Zeit für Dinge, die mir wichtig sind.
Gibt es aktuell einen Lieblingstrack, den du gerne mit uns teilen würdest?
Ich stehe kurz vor der Veröffentlichung meines neuen Albums “Elegy For The Living”. Hier gibt es ein Teaser Video dazu: